Nachdem Ende Mai in Langwedel bei Eckernförde eine Postzustellerin von einem nicht ausreichend gesicherten American Staffordshire Terrier gebissen und schwer verletzt wurde, werden die Rufe nach Wiedereinführung der Rasselisten, welche in einigen Bundesländern schon wieder abgeschafft wurden, wieder laut.
Da es eher solch dramatische Fälle, entweder wegen der Schwere der Verletzungen oder aber auch auf Grund der involvierten Rasse, in die Presse und öffentliche Berichterstattung schaffen, ist das natürlich nicht sonderlich überraschend. Schaut man sich aber die Beißstatistiken der letzten Jahre an, wird schnell deutlich, dass diese nicht unbedingt von den Rassen angeführt werden, die im Volksmund gern als „Kampfhunde“ tituliert werden. Geht man rein von den Fallzahlen aus, werden die Statistiken eher von beliebten und üblicherweise in Familien gehaltenen Rassehunden und von Mischlingshunden angeführt, was natürlich auch daran liegt, dass diese noch immer am häufigsten gehalten werden. Somit wird schnell deutlich, dass ein reiner Blick auf die Zahlen hier nicht ausreichend ist.
Außerdem wird in einschlägigen Statistiken schnell deutlich, dass in gut 90% aller Fälle, Hund und Opfer einander bekannt sind oder sogar zur selben Familie gehören, wobei es auch hier noch eine sehr hohe Dunkelziffer gibt, da Beißvorfälle innerhalb der Familie selten angezeigt werden. Geht man jetzt noch einen Schritt weiter, und schaut sich die zu Grunde liegenden Umstände an, zeigt sich, dass es – selbst unter Hundehaltenden – häufig durch einen Mangel an Wissen über und im Umgang mit dem Hund zu unschönen bis schlimme Situationen kommt. Dies gilt sowohl für Beißvorfälle im engen Kreis, als auch und gerade, wenn Außenstehende betroffen sind. Dies soll jetzt selbstverständlich nicht den Eindruck von „selbst schuld“ in Richtung Opfer vermitteln. Aber man kann sich in bestimmten Situationen nur adäquat verhalten, wenn man zumindest ein entsprechendes Grundwissen hat.
Deutlich wird hier, und das haben ja auch die Erfahrungen gezeigt, die zur Abschaffung von Rasselisten geführt haben, dass allein diese Listen keine nachhaltige Reduzierung der von Hunden potentiell ausgehenden Gefahr bewirken können. Rasse ist nun mal nur ein Teil-Aspekt der Einflüsse, die zu aggressivem Verhalten beim Hund beitragen können. Auch Aufzucht und Haltung beeinflussen die Entwicklung erheblich. Reduziert man also ohne Erhebung aller Umstände (Rasse, Alter, Zucht, Aufzucht, Haltung, Hundehaltende etc.), nur auf einen Aspekt, nämlich hier die Rasse, kann das nur zu falschen Ergebnissen führen.
Zielführender wäre, wenn entsprechendes Grund-Wissen in weiten Teilen der Bevölkerung, auch unter Nicht-Hundehaltenden, vorhanden wäre. Dies könnte z.B. durch eine Implementierung in die Unterrichtsstoffe spätestens der Sek. I der weiterführenden Schulen, durchaus auch in entsprechend aufbereiteter Form in Grundschulen und Kindergärten, erreicht werden. Aus diesem Grund hat ProHunde 2020 zusammen mit dem Deutschen Kinderschutzbund – Bundesverband – das Programm „Kinder und Hunde“ aufgelegt. Im Rahmen dieses Programms gehen HundetrainerInnen in die entsprechenden Einrichtungen, um mit den Kindern altersgerecht das Thema zu erarbeiten.
Das Ziel ist, eine immer breitere Basis an Wissen auch in solchen Kreisen zu schaffen, die nicht unmittelbar mit Hunden zusammenleben. Je früher man es den Kindern und Jugendlichen nahebringt, desto besser kann man dieses Wissen nachhaltig verankern. Dies erscheint uns neben aller Diskussion, die aktuell wieder über Rasselisten und Hundeführerscheinen bzw. Sachkundenachweisen geführt wird, unabdingbar und effektiver, da hierdurch immer mehr Menschen in die Lage versetzt werden, sich durch entsprechendes Verhalten selbst zu schützen. Baut man hier nur auf Rasselisten und/oder Hundeführerschein bzw. Sachkundenachweise für Hundehaltende, würde man lediglich die Hundehaltenden hier mit einfassen. Alle anderen, die nur indirekt über Begegnungen im Alltag auf den täglichen Wegen mit Hunden konfrontiert sind, blieben weiterhin außen vor. Durch Implementierung des Themas „Wissen Rund um den Hund“ in allgemeine Lehrpläne, würde nach und nach die breite Basis der Bevölkerung zumindest Grundlagen-Wissen erlangen. Damit dürfte mit der Zeit ein großer Teil der Umstände vermieden werden können, die immer wieder zu solchen Unfällen mit teilweise sehr schlimmen Folgen führen.
Selbstverständlich trägt jeder Hundehaltende selbst die Verantwortung für das Verhalten des Hundes und daraus eventuell entstehende Risiken. Wissen um den “besten “Freund des Menschen hilft beiden, um stressfrei und risikoarm miteinander umzugehen.
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